Jardim Celeste – der himmlische Garten #TagSechs

Es ist ein Himmlischer Garten, dieser „Jardim Celeste“. Das zumindest ist der Name des Wohnviertels, in dem zum Beispiel Marinalva mit ihren zwei Kindern wohnt. Ein Viertel, das eine besondere Geschichte hat – mit maßgeblichem Anteil aus der Dortmunder Gemeinde St. Bonifatius.
UPDATE: Jetzt mit Video.

Es war einmal, so in den 1980er Jahren, ein recht großes unbebautes Gelände in der Gemeinde Santa Cristina, die in São Paulo liegt. Nicht ganz im Zentrum, aber auch nicht am Rande der riesigen Stadt. Das Gelände gehörte einem Investor.

Dieses Gelände drohte im dauernden starken Wachstum der Stadt, wild besiedelt zu werden. Das kommt in dieser Stadt überall vor – und daraus entwickeln sich die Armenviertel, die als Favelas bekannt sind. Stadtviertel, in denen arme Menschen einfache Häuser bauen. Aus Holz, aus einfachem Beton, mehrere Etagen hoch, meist ohne jede Genehmigung. In diesen Vierteln ist das Leben hart, dreckig, karg – und gefährlich. Denn die Kriminalität ist hoch, es gibt Drogen-Gangs, kaum einer hat Arbeit; eine Gegend mit vielen Problemen.

Da plante nun also eine Gruppe von Menschen aus Santa Cristina etwas anderes: ein Bau- und Wohnprojekt für Menschen aus der unteren Mittelschicht, denen ein Abrutschen in die Armut drohen könnte. Dazu suchte die Gruppe Unterstützung, denn das geplante Projekt kostet Geld. Geld, das nicht einfach so da war. Die gesuchte Unterstützung kam: Der Staat steuerte Gelder für Sozialarbeiter bei, die das Leben in dem Viertel begleiten sollten. Aber für die Planung des Bauprojektes fehlte auch Geld. Und da kommt unsere Dortmunder Kirchengemeinde ins Spiel: Pastor Bernward Hallermann entschied zusammen mit dem Santa-Cristina-Kreis in St. Bonifatius, sich an dieses Projekt anzuhängen. Oder besser: Es mitzufinanzieren. Es brauchte nämlich Geld für die Pläne, für Anträge an die Stadt, für Organisation und Baumaterial. Und per Anschubfinanzierung entstand so der Jardim Celeste nach einem einzigartigen Plan.

Denn jeder, der hier wohnen wollte, musste sich schon vorab in die Gemeinschaft einbringen – mit Eigenarbeit. Viel Arbeit. Vier Jahre lang arbeiteten die Menschen jedes Wochenende zusammen an den Häusern. Die, die sich mit dem Maurerhandwerk auskennen, zogen Wände hoch, die Elektriker legten Leitungen, die, die wissen, wie man Fliesen legt, packten dort an. Dachdecker deckten die Dächer, Schlösser zogen Leitungen, Maler strichen die Wände und Decken. Und das alles ohne zu wissen, in welches der Reihenhäuser sie einst einziehen würden. Alles ohne große Expertise von außerhalb, die man hätte einkaufen müssen – so weit das eben ging.

1992 begann das Projekt. Vier Jahre lang wurde in mehreren Abschnitten gebaut, dann wurden die Wohnungen an die Projektbeteiligten verteilt. 501 Wohnungen, in Reihenhäusern, von etwa 70 Quadratmetern Größe auf zwei Etagen mit teilüberbauter Dachterrasse.

Aus Deutschland kam über die Jahre ein hoher fünf- bis niedriger sechsstelliger Eurobetrag zusammen. Gespeist aus Einzelspenden, Teil-Erbschaften, Geburtstagsgeschenken (statt Geschenken bitte Spenden an…), aus Kollekten und von Dauerspendern, die einen monatlichen Festbetrag aufs Spendenkonto überweisen – und das bis heute.

Denn die Partnerschaft lebt. Inzwischen ist der sechste Bauabschnitt (2011) fertiggestellt. Da wurden 174 Wohnungen in blau-weißen Hochhäusern von Familien bezogen. Neu war diesmal allerdings, dass zusammen mit Baufirmen gearbeitet wurde. Denn die Hochhäuser konnten nicht in Handarbeit entstehen.

Der Jardim Celeste steht, in seiner Mitte gibt es eine eigene Kapelle und ein Stadtviertel-Zentrum.

Das Projekt ist ein Vorzeigeprojekt. Selbst der ehemalige Staatspräsident Lula, in dessen Amtszeit eine wirtschaftliche Blüte und ein Abbau der sozialen Missstände fällt, nahm Notiz, als eine heftige Kürzung der öffentlichen Gelder für die notwendige Sozialarbeit im Quartier drohte. Die Menschen protestierten in der Hauptstadt Brasilia, campierten dort einige Tage, bis sie dem Staatschef ihr Anliegen vortragen konnten. Und das Geld floss weiter.

Es ist aber auch nicht alles gut in diesem Himmlischen Garten: An den Rändern haben sich zum Teil arme Menschen wild in Hütten niedergelassen. Die Gewalt nahm zu, und unsere Gastmutter, die dort auch mit ihren zwei Kindern lebte, musste vor einem halben Jahr ausziehen, weil sie sich nicht mehr sicher fühlte. Heute wohnt sie in einem Hochhaus, das von einen Sicherheitsdienst überwacht wird.

Andere leben heute noch dort. So wie Marinalva. Hätte sie ihr Haus nicht hier, hätte sie uns sicher nicht zu einen so üppigen Essen einladen können. Ihre Tochter, die jeden Abend an der Hochschule studiert und vorher den ganzen Tag einer Arbeit nachgeht, hätte die Gelegenheit sicher nicht. Bernward sagt sogar, dass viele dieser Bewohner in Buden in Favelas wohnen müssten, wenn der Jardim nicht wäre. Ihre Kinder wüchsen in Armut auf – Chancen auf einen Ausweg gäbe es für sie kaum.

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Ein Kommentar zu “Jardim Celeste – der himmlische Garten #TagSechs

  1. Hat dies auf Was Tante Gertrud wohl bloggen würde rebloggt und kommentierte:
    In Dortmund ist heute Kulinarisches Wochenende. Obwohl es über 30 ° C werden wird, habe ich Lust, dahin zu fahren. Ich bewunder die jungen Leute, die heute so viel reisen können. Das hätte ich auch gern gemacht.
    Wie man sich wohl als Dortmunder in eine, Wohnviertel Lateinamerikas fühlt? Schön, dass die jungen Leute uns davon berichten,

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